Die Kleinbahn - Ihr Schicksal nach 1945

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kleinbahn völlig unbeschadet, der Verkehr konnte ohne Störungen und Unterbrechungen durchgeführt werden, ganz im Gegenteil zur Weistritztalbahn, die wegen Brückenbeschädigungen bis 1947 teilweise stillgelegt war.

 

Unmittelbar nach Kriegsende versahen zunächst noch die Deutschen den Betriebsdienst, die Bahn wurde erst 1946 von der PKP (polnische Bahngesellschaft) übernommen und tauchte auch erst dann im polnischen Kursbuch auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es blieben jedoch noch bis zu ihrer Vertreibung in den Westen im April 1947 Lokführer Neumann und Unterwerk-Mechaniker Hartwig bei der Bahn beschäftigt.

Die Fahrzeuge bekamen nun einen neuen, weiß-grünen Anstrich und neue Bezeichnungen: Triebwagen EN 92799, Beiwagen 94799 und E-Lok erst E400, dann EU40.

 

Während 1947 nur zwei Personenzug-paare verkehrten, waren es Mitte der fünfziger Jahre bereits wieder acht. In der Regel war der Triebwagen (je nach Bedarf auch mit einem Beiwagen) im Einsatz. Die E-Lok verkehrte nur ersatzweise während den Reparatur- und Untersuchungszeiten des Trieb-wagens oder mit Güterzügen. Diese bestanden bergwärts aus zwei Wagen älterer Bauart oder aus einem Neubau-wagen mit größerer Tragfähigkeit und talwärts aus zwei bis drei Wagen.

 


Triebwagen unterwegs 15.8.1955

Oftmals mußte die kleine Maschine mehrmals fahren, um ihre Fracht zu bewältigen. Deshalb ging die PKP dazu über, im Güterzugdienst Dampfloks der Baureihe Ty 2 (ex DR 52) einzusetzen. Sie konnten hier Züge mit einem Gewicht von 150 t und ab 1958 sogar von 200 t befördern, in der Regel waren das fünf bis sieben Wagen.

 

 

 

 

 

Die Untersuchung der Fahrzeuge fand am Ort im Wagenschuppen oder im ehemaligen RAW Lauban (heute Luban) statt. Im allgemeinen jedoch gab es zahlreiche Probleme in der Ersatzteilbeschaffung für die Einzelgänger. 1955 fiel ein Transformator aus und kurz darauf wurde ein Umformer Opfer eines Blitzschlags. Die Reparaturarbeiten gestalteten sich schwierig und dauerten mehrere Monate. Der Zustand des Oberbaus ließ - auch wegen unzureichender Entwässerung - immer mehr zu wünschen übrig: Achszapfenbrüche beim Triebwagen, Entgleisungen und ständige Geschwindigkeitsbeschränkungen waren die unausweichliche Folge, die Fahrzeilen konnten nicht mehr gehalten werden. Man beabsichtigte daher eine umfangreiche Oberbauerneuerung.



Transformatorraum im Umspannwerk, um 1955

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1958 wurden eine neue Fahrleitung und eine Femsprechanlage installiert und knapp 8000 neue Schwellen in Wüstewaltersdorf gelagert. Unglücklicherweise ereignete sich jedoch gegen Ende des selben Jahres ein Unfall. Kurzfristig wurde der Reiseverkehr eingestellt.

 


Bahnarbeiter mit E-Lok und Zug, um 1955













In kurzer Zeit verschwanden die neuen Schwellen wieder aus Wüstewaltersdorf und somit auch alle Hoffnung auf eine Rettung der Bahn. Es gab zu jener Zeit jedoch noch keine Koordination mit der staatlichen Kraftverkehrsgesellschaft, und die Reisebedingungen für die Bevölkerung verschlechterten sich beträchtlich.

So wendeten sich Gemeindevertreter an die Staatsbahndirektion in Breslau mit der Bitte um Wiederaufnahme des Reiseverkehrs auf der Strecke - mit dem Erfolg, daß einige Zugpaare wieder verkehren durften. Ohne die ursprünglich geplanten und dringend notwendigen Emeuerungsmaßnahmen war die Zukunft des Reisezugbetriebes allerdings vorprogrammiert: Der letzte elektrische Zug kam am 4. Oktober 1959 in Wüstewaltersdorf an. Die Fahrzeuge wurden im Lokschuppen abgestellt, das Personal für den elektrischen Betrieb wurde abgelöst und nach Breslau versetzt, wo man gerade wieder mit dem elektrischen Betrieb begonnen hatte. Gegen 1960 wurde die Fahrleitung demontiert und ebenfalls nach Breslau geschafft. Die Fahrzeuge verrotteten noch etwa zwei Jahre lang im Wüstewaltersdorfer Lokschuppen und wurden gegen 1962 zum Bw Breslau Hbf überstellt.

 





















Zwischenzeitlich fanden jedoch 1961 noch einige Personenzugfahrten auf der ehemaligen Wüstewaltersdorfer Kleinbahn statt, die Garnitur bestand aus einer Ty 2 und einem Abteilwagen. Dieser Versuch erntete jedoch nur mäßigen Erfolg: Die Fahrten fanden unregelmäßig statt, und da es keine Fahrkartenkontrolle gab, fuhr man einfach "schwarz"; im Herbst 1961 übernahm der staatliche Kraftverkehr (PKS) endgültig den gesamten Reiseverkehr.

Den Güterverkehr versah die PKP weiterhin mit Ty 2 bis zum Winter 1973/74; zu diesem Zeitpunkt wurde der Abschnitt Neugericht - Wüstewaltersdorf wegen des miserablen Oberbauzustandes und des zu geringen Güteraufkommens stillgelegt. Bis 1984 waren alle Gleisanlagen abgebaut. Lediglich der nur 1,63 km lange Abschnitt von Hausdorf bis zum Sägewerk in Neugericht blieb erhalten und wurde in den Jahren 1979 bis 1981 gründlich erneuert; bis 1990?? wurde die Strecke mit Waldenburger Ty 2 oder Diesel-Loks der Baureihe SM 42 befahren. Heute (2013) wird die Strecke nicht mehr genutzt.

Den Fahrzeugen der Wüstewaltersdorfer Kleinbahn widerfuhren recht unterschiedliche Schicksale: Die E-Lok wurde alsbald vor dem Eisenbahn-Technikum in der Nähe des Breslauer Hauptbahnhofs als Denkmal aufgestellt und im Frühjahr 1986 dem Ausbesserungswerk Lauban zur Restaurierung zugeführt, mit dem Ziel, sie anschließend im Eisenbahnmuseum Warschau der Nachwelt zu erhalten. Ein Beiwagen wurde recht bald verschrottet, der Triebwagen fiel erst 1983 dem Schneidbrenner zum Opfer, obwohl das Eisenbahnmuseum in WarschauS Interesse an dem Fahrzeug bekundet hatte. Nur der zweite Beiwagen mit der Nummer 94799 ist heute noch als Bahndienstwagen beim Bw Breslau Hbf im Dienst (Stand 1987).

 

Die E-Lok steht heute (2013) renoviert
als Denkmal im
Eisenbahnmuseum Warschau-Grochów.